Werk

 

So kam es, dass 1958 Wurster den von ihm hochgeachteten Albert Pfister zu sich einlud. Wurster war von Pfisters Malerei unübersehbar "infiziert". Er machte etwa während dreier Jahre etliche Besuche bei Pfister in seinem Erlenbacher Atelier und löcherte ihn mit Fragen. Bis er 1960 eines Tages einen Brief erhielt, schwarz umrandet wie eine Todesanzeige. Absender: Albert Pfister, Inhalt: "Ich möchte mit Ihnen nichts mehr zu tun haben. Ein guter Meister muss sich überflüssig machen können. Suchen Sie ohne mich Ihren Weg." Wurster: "Ich war wie vom Blitz getroffen. Ich hab es mit ihm verdorben! Mein hochverehrter Mentor hat mich in die Wüste geschickt! Fort, weg, aus und vorbei! Warum das? Hab ich ihn mit meiner Aufdringlichkeit verärgert? Hätte ich ihn für unsere Kunstgespräche bezahlen sollen? Oder konnte er es schlecht ertragen, dass an der Zürich-Land-Ausstellung von jemandem meine Bilder mit den seinen verwechselt worden waren? - Was tun? Wie weiter?"
Ein gewisser Paul Eisen, Gast im Hotel Belvedere, der Wurster mehrmals in seinem Atelier besuchte, riet ihm, von jetzt an das Gegenteil von Pfister zu machen, nämlich, es mit Schwarz zu versuchen. Wurster ging auf diesen Vorschlag ein und experimentierte mit Schwarz. Mit schlechtem Gewissen tastete er sich durch die ganze Schwarzskala durch und war überrascht von den geheimnisvollen Mischtönen, die dabei entstanden.
Das war der Beginn der "Dunklen Periode", die ca. 15 Jahre dauerte. Eine Zeit der Loslösung von Pfister, aber auch der Selbstfindung. Sie war für Wurster nötig, um seinen eigenen Stil, seine eigene Malerei zu finden. Die Aquarelle allerdings machten die "Dunkle Periode" nicht mit.
In den 60er und 70er Jahren ging es um das Erfassen der typischen Merkmale der Landschaft im In- und Ausland und um das Umsetzten von Licht und Atmosphäre, um Abstraktion und Vereinfachung. 1965 wurde das von Architekt Gisel erbaute Hallenbad mit Gemälden von Wurster eröffnet. Kurdirektor Fritz Dürst förderte den Künstler, indem er seine Bilder im Antiquitätengeschäft Haus Regina ausstellen liess. 1966 brachte der Schweizer Künstlerkalender ein Bild von Wurster. Die Migros kaufte ein Aquarell anlässlich des Wettbewerbs für Schweizer Nachwuchskünstler, und die Galerie Belvedere in Hergiswil zeigte eine Wurster-Ausstellung, die in der Innerschweizer Presse ein äussert positives Echo fand. Es folgten Kurzaufenthalte in Paris, Krefeld, Tunesien, Kroatien, Wien, immer wieder in Dino, sowie 1979 nach der erlittenen Herzattacke, an der Riviera dei Fiori. Nach seiner Genesung wurde bekannt, dass die Telefonzentrale in Davos Platz verlegt worden war. Alle Apparate und Kabel wurden demontiert. Ein grosser Raum von neun auf vierzehn Metern stand leer. Wurster bewarb sich um diesen Raum und richtete dort sein Atelier ein. Dies war die Chance für einen Neubeginn. Die "Dunkle Periode" war endgültig vorbei. Er entschloss sich, von nun an während mindestens einem Jahr nur mit den drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb zu malen. So fand er zur reinen Farbe zurück. Die Ähnlichkeiten mit Pfister waren nicht mehr zu sehen. Dennoch, die Farbe, ihre Harmonie, ihre raumbildende Eigenschaft, ihr Mechanismus liessen ihn nicht los. Er wollte sich bewusst mit dem Fauvismus befassen, jener Zeitspanne (1904-1908), die seiner Meinung nach viel zu kurz war. Da lagen doch noch Möglichkeiten drin, die es auszuschöpfen galt.
Doch bald schon musste das grosse Atelier im Postgebäude dem Kirchner-Museum weichen. Nur ein kleiner Raum blieb ihm noch während zweier Jahre zur Verfügung. So richtete er sich im Dachstock seines Hauses ein Atelier ein.
Nach den schicksalhaften Engpässen waren Marokko und die Insel Elba, die er mehrmals bereiste, Anregungen für viele Ölbilder und Aquarelle.

Seit der Ausstellung 1996 in der Deutschen Höhenklinik Davos Wolfgang trat in Wursters Schaffen eine Ermüdung ein. Keine neuen Bildideen, und die alten Themen, die er aufgriff, wirkten unbefriedigend. Er drehte sich im Kreis und befand sich schlussendlich in einer Sackgasse. Während eines Persönlichkeitskurses entschied er sich, mit dem Malen aufzuhören. In dieser Schaffenspause von einem Jahr nahm er keinen Pinsel in die Hand, bis eine innere Stimme sagte: "Fahr weiter! Wage etwas Neues!" So wurden fixe Ideen umgestossen, Beweggründe und Festlegungen hinterfragt, grafische Elemente traten in den Nass-in-nass-Aquarellen auf und dann im Sommer 1997 kam die Frage nach dem Innen und Aussen.
Der kleine Landschaftsausschnitt, den er sieht, malt, rahmt und dann an die Wand hängt, löst bei den Ateliergästen Gefühle, Emotionen und teils auch Erinnerungen aus. Und genau diese Empfindungen wollte er festhalten. Er entschloss sich, den Rahmen "aufzubrechen" und die Landschaft in den Raum, in dem er sich befindet, fliessen zu lassen. Die Wände sollen gleichermassen transparent werden. Man soll spüren, dass das Haus, das Interieur, von Landschaft umgeben ist, dass "ich in einem Sessel sitze, mich aber in Davos befinde". Auf diese Weise entsteht ein Dialog zwischen Innen und Aussen, Erweiterung und Verdichtung zugleich. So entstanden die Innen/Aussen - Bilder. Es gibt kein Innen ohne das Aussen und umgekehrt.
2003 kaufte die Kunstkommission der Landschaft Davos drei Gemälde, die einen Ehrenplatz im Rathaus Davos bekamen.


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